Junge Mädchen zwischen Magersucht und Fettsucht

Magersucht: Dünnes Mädchen sieht sich als dick
Astrid Kurbjuweit
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3 Minuten

Heute sind die meisten Jugendlichen (noch) schlank oder sogar dünn. Nur relativ wenige haben wirklich deutliches Übergewicht. Allerdings ist eine Mehrheit mit ihrem Gewicht unzufrieden und möchte abnehmen. Vor allem die Mädchen vergleichen sich mit dem herrschenden Schönheitsideal, dem nur mit deutlichem Untergewicht entsprochen werden kann.

Diese Unzufriedenheit mit sich selbst führt dazu, dass der Wunsch abzunehmen oder an bestimmten Körperstellen abzunehmen, einen hohen Stellenwert im Leben der Mädchen bekommt. Viele kreisen ununterbrochen um ihr Gewicht, ihre Figur und ihr Essen. Man könnte dies als pubertären Mangel an Selbstbewusstsein abtun, wenn es nicht ganz objektive Folgen, und zwar eindeutig zum Nachteil der Betroffenen, hätte.

Auch wenn es sich sonst herumgesprochen hat, dass Diäten nicht schlank machen, bei den Jugendlichen ist diese Erkenntnis offenbar noch nicht angekommen. Und so wird mit allen längst als unwirksam erkannten Methoden versucht, in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Gewicht zu verlieren, egal, ob bereits Normal- oder sogar Untergewicht vorliegt oder nicht. Viele entwickeln auch ihre eigenen Abnehmmethoden. So wird versucht, ohne Frühstück, oder nur mit Frühstück, oder mit einem kleinen Joghurt als Mittagessen, über den Tag zu kommen. Hunger wird ignoriert.

Gleichzeitig verzichten viele darauf, Sport zu treiben oder auch nur, sich zu bewegen. Sie haben Angst, dass sie dadurch Muskeln aufbauen würden und dadurch noch „fetter“ werden würden. Argumente, dass Muskeln für eine schlanke Figur und für einen hohen Energieverbrauch unbedingt notwendig sind, werden nicht geglaubt. Auch dass Muskeln nicht von jetzt auf nachher entstehen und die meisten Sportarten keine großen Muskelpakete, sondern nur eine sportliche Figur erzeugen, ist vielen unbekannt.

Die, die es mit Sport versuchen, haben oft völlig unzutreffende Vorstellungen. So werden dreißig Minuten mäßige Anstrengung über die Woche verteilt und am Ende der Woche herrscht bereits Verzweiflung, weil sich am Gewicht noch nichts geändert hat.

Statt für realistische Trainingsmethoden interessieren sie sich für die Frage, wie viele Kalorien man zu sich nehmen darf, wenn man ohne Sport abnehmen möchte. Auch Abführmittel, Diätpillen und alle sonstigen Mittelchen, die längst als wirkungslos erwiesen sind, werden ernsthaft in Erwägung gezogen.

Dem Ganzen liegt die Überzeugung zugrunde, dass es sich bei der Sache mit dem Abnehmen um eine vorübergehende Angelegenheit handelt. Man muss nur eben diese zwei oder fünf Kilo loswerden, und dann ist das Problem erledigt. Dass man für eine schlanke Figur lebenslang aktiv sein muss, und sich immer gesund ernähren muss, wird ausgeblendet.

Und so beginnt es mit kurzzeitigem Hungern. Weil der Erfolg natürlich ausbleibt, kommt es zu ständigem Hungern. Viele trauen sich nicht, so viel zu essen, bis sie satt sind. Die fast zwangsläufig entstehenden Heißhungeranfälle werden als persönliches Versagen interpretiert und bestärken sie nur in ihrer Vorgehensweise. Schließlich muss der Anfall ja wieder ausgeglichen werden.

Durch das ständige Hungern kreisen die Gedanken natürlich auch ständig ums Essen. Das vermindert die Konzentration auf andere, wichtigere Dinge, wie zum Beispiel schulische Leistungen. Durch die ständige Unterernährung entstehen Nährstoffmängel, die in einem reichen Industrieland eigentlich nicht vorkommen dürften. Entwicklungsverzögerungen können die Folge sein. Durch die ständige Kontrolle des eigenen Verhaltens verliert sich die natürliche Regulation durch Hunger und Satt sein, die normalerweise die Essensmenge bestimmt. Dadurch entstehen Essstörungen und in höherem Lebensalter häufig Übergewicht, dann tatsächlich.

Eltern und andere Erwachsene werden selten ins Vertrauen gezogen und bemerken häufig nichts von den Nöten ihrer Kinder. Falls tatsächlich Übergewicht vorhanden ist und die Jugendlichen zu vernünftigen Abnehmmethoden angehalten werden, so entsprechen diese natürlich nicht den Vorstellungen, vor allem nicht den Vorstellungen der Mädchen. Denn vernünftig ist, Sport zu machen, sich zu bewegen. Davor haben sie Angst, sie glauben, das würde ihr Problem verschlimmern. Vernünftig ist, dauerhaft zu einer gesunden Ernährungsweise zu finden, nicht schnell abzunehmen. Das möchten sie nicht, soviel Geduld haben sie nicht.

Was fehlt, ist Information, die von den Jugendlichen geglaubt werden kann. Die vorhandenen Überzeugungen müssten ernst genommen werden. Es nützt nichts, Minderjährigen einfach eine noch so vernünftige Methode überzustülpen, wenn diese nicht an die Methode glauben. Man muss ihre Vorstellungen ernst nehmen, nur dann kann man sie ändern. Dazu gehört auch, zu registrieren und ernst zu nehmen, wenn normal gewichtige Mädchen Probleme mit ihrem Gewicht und ihrer Figur haben.

3 Kommentare

  1. Ich merke gerade das ich diesen Blog deutlich öfter lesen sollte- da kommt man echt auf Ideen.

  2. Wirklch sehr informativ! Werde aufjedenfall wieder kommen. Danke fuer den Beitrag.

    Gruss
    Andres

  3. Ich bin zurzeit übergewichtig und jetzt habe ich mir vorgenohmen, ein Paar Kilo abzunehmen. Dabei will ich kalorienarm essen und auch noch Sport machen. Vielleicht könntet ihr mir einige kalorienarme Rezepte zum Kochen und Sportübungen zum Abnehmen empfehlen.

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  1. Gewichtsdiskriminierung – Abnehmen ist keine Lösung - […] Figur haben, sich zu dick fühlen und meinen, das dringend ändern zu müssen. Vor allem Jugendliche fühlen sich fast…
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