Abnehmen in den Medien – Teilnehmer gesucht

Dicker Mann läuft um abzunehmen
Astrid Kurbjuweit
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4 Minuten

Sie möchten ins Fernsehen, oder zumindest mit Foto in die Zeitung? Das ist heute ganz einfach. Die einzige Qualifikation, die Sie mitbringen müssen, ist Übergewicht. Wenn Sie so richtig fett sind, dann ist das alles kein Problem. Alternativ geht es auch, wenn Sie mal so richtig schön fett waren und dies mit unscharfen Vorher-Fotos belegen können.

Übergewicht ist allgegenwärtig, Abnehmen ein Thema für mindestens die Hälfte der Bevölkerung. Die meisten haben allerdings nur ein paar Kilo zu viel, oder meinen vielleicht auch nur, die eine oder andere Problemzone an sich entdeckt zu haben. Damit kommt man zwar nicht ins Fernsehen, aber damit ist man Teil der Zielgruppe, an die sich die Sendungen und Reportagen richten. Es ist ein großer Markt, mit dem Interesse am Thema Übergewicht und Abnehmen werden hohe Einschaltquoten und Auflagen erreicht.

Klassisch sind die Vorher-Nachher-Fotos. Wer wirklich viel abgenommen hat und dies durch Vorher-Fotos belegen kann, der hat immer noch gute Chancen, dass ein Fotograf jetzt schöne, professionelle Nachher-Fotos von ihm macht. Diese erscheinen dann mit einem Artikel über die Abnehmmethode und den Weg zum Erfolg in der Lokalzeitung, in einer Frauenzeitschrift, Fernsehzeitschrift oder einer sonstigen Publikation.

Wer Gegenstand einer solchen Berichterstattung werden möchte, sollte sich das gut überlegen. Die gemachten Fotos gehören dem Fotografen und seinem Auftraggeber, nicht dem, der darauf zu sehen ist. Die meisten werden einem professionellen Interviewer das erzählen, was der wissen möchte, auch wenn sie das nicht vorhatten. Nur in den seltensten Fällen hat man Einfluss auf den Artikel, also darauf, was über einen geschrieben wird. Wenn der Bericht mal erschienen ist, dann kann ihn keine Macht der Welt wieder entfernen. Egal, was drinsteht, egal, was berichtet wird, alle können die Fotos sehen, jeder kann den Bericht lesen, auch dann, wenn vielleicht ein falscher Eindruck erweckt wird. Nicht alle werden sich mit einem über den schönen Erfolg freuen. Es wird auch Missgunst und unangenehme Erlebnisse geben. Bedenken sollte man auch, dass schon viele wieder zugenommen haben. Es gibt keine Garantie, dass einem selbst das nicht auch passieren kann. Es sind Situationen denkbar, in denen einem die Fotos und der Bericht wirklich sehr unangenehm werden können. Auch dann lässt sich nichts rückgängig machen.

Interessanter sind da schon die Shows im Fernsehen, wo die Abnehmbemühungen mit der Kamera begleitet werden. Die (möglichst dicken) Teilnehmer werden mit dem Versprechen eines Abnehm-Coachings geködert, mit professioneller Begleitung durch Fitnesstrainer, Ernährungsberater oder Ärzte. Zusätzlich winkt eine Siegprämie. Zumindest im Prinzip bieten diese Shows die reelle Chance, abzunehmen.

Leider ist natürlich die Zeit begrenzt, sodass es wieder darauf hinausläuft, in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Gewicht zu verlieren. Beste Chancen für den Jo-Jo-Effekt also. Abgesehen davon, dass es eine üble Quälerei ist, die natürlich möglichst in Nahaufnahme dokumentiert wird. Wer von jetzt auf sofort mit täglichem Sport einsteigt, der hat gute Chancen, sich nicht nur Schmerzen, sondern auch echte Verletzungen zuzuziehen, die dann leider zum Aufgeben führen müssen. Auch wenn bei der Auswahl der Teilnehmer sicher darauf geachtet wird, solche mit niedrigem Verletzungsrisiko zu nehmen, so bleiben die Verlierer doch ganz einfach auf der Strecke. Niemand kümmert sich um die, die nicht gewinnen.

Die Abnehmmethode in solchen Shows ist für gewöhnlich die, maximalen Druck auszuüben. Solange der Druck besteht, solange die Teilnehmer ihm nicht entfliehen können, solange nehmen sie tatsächlich ab, ziemlich schnell sogar. Was aber passiert, wenn sie aus dem Druck entlassen werden, wenn niemand mehr hinsieht, das erfährt der Zuschauer nicht. Wie lange einmal erzielte Erfolge bestehen bleiben, also ob die Teilnehmer schlank bleiben oder wieder zunehmen, erfährt der Zuschauer höchstens von den Siegern, nicht aber von der Mehrzahl der Teilnehmer. Und wenn er es im Ausnahmefall doch erfährt, dann spricht das auch nicht unbedingt für den langfristigen Erfolg der Methode.

Und ob es für den Abnehmerfolg notwendig ist, sich mit nacktem Oberkörper oder im bauchfreien Top der Öffentlichkeit zu präsentieren, sei dahingestellt. Für eine bestimmte Klientel unter den Zuschauern ist es natürlich attraktiv, zu sehen, wie die Dicken vorgeführt und lächerlich gemacht werden, zu sehen, wie man die vermeintlich faulen Versager nur kräftig genug zu treten braucht, damit sie spuren und abnehmen.

Dauerhafter Erfolg erfordert dagegen angemessene Verhaltensweisen für den Alltag, genau das, was man in einer abgeschotteten Wettbewerbssituation nicht lernt.

Wie viel man in einer bestimmten Zeit abnehmen kann, hängt unter anderem vom Ausgangsgewicht und vom Geschlecht ab. Männer nehmen schneller ab als Frauen und Männer haben in vielen Fällen das höhere Ausgangsgewicht. Die Chancen der Frauen, einen Abnehmwettbewerb zu gewinnen, stehen also eher schlecht. Wer also teilnimmt, um zu gewinnen, sollte ein Mann sein, sonst ist das ziemlich unrealistisch.

Wer sich also für die Teilnahme an einer Abnehmsendung bewirbt, sollte sich das vorher wirklich gut überlegen. Es scheint zwar ziemlich sicher zu sein, dass man dort abnimmt. Aber wie lange der Erfolg erhalten bleibt, steht in den Sternen. Ob solch ein vorübergehender Erfolg die Quälerei, die Demütigung, das Vorgeführt werden wert sind, muss natürlich jeder für sich entscheiden.

Der Glaube, dass man schon deshalb nicht wieder zunehmen werde, weil man sich dann ja nochmal lächerlich machen würde, ist ein Irrtum. Dem Jo-Jo-Effekt ist die Lächerlichkeit egal. Willenskraft ist zwar durchaus wichtig fürs Abnehmen, aber der Wille alleine reicht nicht aus. Wenn er reichen würde, dann wären die Teilnehmer ja gar keine geworden, sondern schon vorher schlank.

Bevor man sich für die Teilnahme bewirbt, sollte man vielleicht auch noch lernen, Frust und Demütigung nicht mit Essen zu kompensieren. Wer das gelernt hat, der kann eine solche Sendung dann vielleicht unbeschadet überstehen. Allerdings braucht er sie auch nicht mehr.

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Beitragsbild: Nomad_Soul/Shutterstock